Es ist ein bitterer Rückschlag: Im Juli 2022 machte das Europäische Parlament den Weg dafür frei, Atomenergie und Erdgas in die EU-Taxonomie als klimafreundliche Energien aufzunehmen. Die Alternative Bank Schweiz bedauert diesen Schritt zutiefst und hält an ihrer Vision von einem nachhaltigen Netto-Null fest.
Eigentlich war es eine Chance, bei nachhaltigen Finanzanlagen einen grossen Schritt weiterzukommen: Die EU wollte mit dem ambitionierten Projekt einer grünen Taxonomie dafür sorgen, dass künftig mehr Investitionen in ökologisch nachhaltige und klimafreundliche Projekte fliessen, um die Energiewende voranzubringen und die Klimakrise zu bewältigen. Damit das geschehen kann, muss man sich international auf gemeinsame Kriterien einigen, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig und klimafreundlich gelten sollen. Bei der grünen EU-Taxonomie geht es also um eine Art Öko-Label, das eine Orientierung für nachhaltiges Investieren geben soll, indem es einen Mindeststandard für den Begriff der ökologischen Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten festlegt.
Einladung zum Greenwashing
Der Entscheid des EU-Parlaments, die Verleihung dieses Öko-Labels an Atomkraft und Erdgas nicht zu verhindern, ist ein enttäuschender Rückschritt und untergräbt die Glaubwürdigkeit der EU hinsichtlich ihres Engagements für den Klima- und Umweltschutz. Zwar formuliert die EU Bedingungen dafür, dass Atomkraft und Erdgas als klimafreundlich bezeichnet werden dürfen: Bei Kernkraftwerken soll dies möglich sein, wenn eine Baugenehmigung bis 2045 vorliegt und es im Land einen Plan und finanzielle Mittel für die Atommüllentsorgung gibt. Investitionen in neue Gaskraftwerke gelten bis 2030 als nachhaltig, wenn diese unter anderem schmutzigere Kraftwerke ersetzen und bis 2035 mit klimafreundlicheren Gasen betrieben werden. Bei beiden Technologien spricht die EU von notwendigen Übergangstechnologien.
Aus Sicht der ABS ist allerdings nicht nachvollziehbar, warum problematische Übergangstechnologien ein positives, explizit grünes Label bekommen sollten. Dies lädt zum Verharmlosen der schädlichen Wirkung und potenziell zum Greenwashing ein.
Letzteres sollte die Taxonomie eigentlich gerade verhindern. Sowohl Erdgas als auch Atomkraft bringen als Energiequellen schwerwiegende und hinreichend erforschte Probleme mit sich und schaden dem Erreichen eines nachhaltigen Netto-Null.
Unter nachhaltigem Netto-Null versteht die ABS, dass die Klimaziele mit grösster Ernsthaftigkeit und Engagement verfolgt werden, ohne dass man dabei auf andere höchst schädliche Technologien ausweicht oder andere zentrale Nachhaltigkeitskriterien wie den Schutz der Umwelt, soziale Gerechtigkeit oder die Verantwortung für künftige Generationen ausser Acht lässt. Letzteres ist im Falle der Kernenergie zum Beispiel nicht gegeben, da das Problem der Endlager für Atommüll völlig ungelöst ist.
Garantiert nicht mit der ABS
Auch wenn die Taxonomie ein EU-Projekt ist, ist sie für die Schweiz ebenfalls relevant. Die EU-Taxonomie tangiert beispielsweise Anbieter von Finanzprodukten und Unternehmen mit Geschäftstätigkeiten im EU-Raum. Die Aufgabe der grünen EU-Taxonomie bestand ursprünglich darin, Investitionen in nachhaltige Projekte zu leiten, die dringend Finanzierung brauchen und als Wirtschaftszweige stark ausgebaut werden müssen, um die Klimakrise zu bewältigen.
Indem sie Atomkraft und Erdgas als grün labelt, ermutigt die EU nun stattdessen dazu, bereits gut etablierte und finanzierte Branchen zusätzlich zu fördern, wie die Global Alliance for Banking on Values (GABV) in einer Pressemitteilung vom 14. Juli 2022 treffend konstatierte. Die ABS ist zusammen mit 68 anderen werteorientierten Banken Teil dieses weltweiten Netzwerkes und eines seiner Gründungsmitglieder. Gemeinsam mit den anderen GABV-Banken hält die ABS an ihrem Engagement für ein ganzheitlich nachhaltiges Netto-Null fest und lehnt das Öko-Label für Atomkraft und Erdgas ab.
Dieser Artikel erschien in der moneta 3-2022.