Direkt zum Inhalt Go to online desk E-Banking öffnen
Anders als Andere.

Illustration: artischock.net

Thesenpapier von Martin Rohner,

Vorsitzender der Geschäftsleitung der Alternativen Bank AG

Zehn Jahre ist es her, seit die Finanzkrise in der Schweiz mit dem Beinahekollaps der UBS ihren Höhepunkt erreichte. Begonnen hatte alles, als in den frühen 2000er-Jahren die tiefen Zinsen auf dem US-Hypothekarmarkt immer stärker auf die Margen der Banken drückten. Um ihre Gewinne zu halten, fingen diese an, Kredite auch an Personen zu vergeben, die gar nicht kreditwürdig waren. Es bildete sich eine Blase, die schliesslich platzte und die Banken an den Rand des Ruins trieb. Weil sie ihre faulen Kredite verbrieft und in die ganze Welt exportiert hatten, kam es 2008 zu einem weltweiten Konjunktureinbruch: zur Finanzkrise, der später die Eurokrise folgte. Um den totalen Kollaps der Wirtschaft zu verhindern, brauchte es umfangreiche Rettungspakete. So investierten die Schweizer Nationalbank und der Bund zusammen 32 Milliarden Franken, um die UBS zu retten. Zudem begannen viele Zentralbanken die Leitzinsen massiv zu senken. Heute drängen sich eine Reihe von Fragen zu den Folgen der Krise auf. Die Antworten darauf sind nur teilweise erfreulich: 

Haben Politik und die Zentralbanken richtig reagiert?

Ja. Man hat den Kollaps verhindert und in vielen Staaten eine Grundlage geschaffen, damit die Wirtschaft wieder wachsen kann.

Was hat man aus der Krise gelernt?

Ökonomisch viel: Quantitative Easing und die Negativzinspolitik waren ökonomische Experimente mit unsicherem Ausgang. Wirtschaftlich gesehen waren sie erfolgreich. Die gesellschaftlichen Nebenwirkungen sind aber bedeutsam.

Gesellschaftlich wenig: Den Sinn des Finanzsystems, wie es heute ausgestaltet ist, hat man nicht hinterfragt. Dadurch bleibt es inhärent krisenanfällig.

Welche gesellschaftlichen Folgen hat die Krise gezeitigt?

Kurzfristig gesehen kam es zu Arbeitslosigkeit, Vermögensverlust und zur Verarmung breiter gesellschaftlicher Schichten.

Die Zinspolitik der Zentralbanken begünstigt Personen mit Anlagen in Form von Immobilien und Aktien und benachteiligte weniger Vermögende mit Spargeldern. Es kommt zu einer Umverteilung.

Sind die Banken heute sicherer? 

Nur bedingt: Die zusätzlichen Kapital- und Liquiditätsvorschriften sind richtig, gehen aber zu wenig weit. Die Regulierung hat vor allem an Komplexität, aber nicht an Effektivität gewonnen. Nach wie vor ist die erforderliche Kapitaldecke für systemrelevante Banken zu tief angesetzt und bietet wenig zusätzliche Sicherheit.

Vor allem aber hat man die Regulierung zu eng gedacht. Verhaltensökonomische Ansätze hat man kaum geprüft. Genauso wenig hat man sich Gedanken gemacht zu gesellschaftlichen und ökologischen Risiken, die vom Finanzsystem selbst ausgehen und dieses auch selbst betreffen können.

Man hat das Problem nicht an der Wurzel gepackt, nämlich am Verhalten der Banken. Die Frage wem das Finanzsystem dient und dienen sollte wurde nicht gestellt. Wird diese Sinnfrage nicht gelöst, wird sich das Finanzsystem stets von einer Bankenkrise zur nächsten hangeln.

   

Kann es wieder zu einer solchen Krise kommen?

Ja, denn das eigentlich Problem wurde nicht gelöst, nämlich das Fehlverhalten der Banken, die anstatt sich auf die Lösung gesellschaftlicher Probleme auf die Gewinnmaximierung fokussieren.

Was ist zu tun, um das System krisenfest zu machen?

Es braucht ein neues (altes) Verständnis, in Bezug auf den Sinn des Finanzsystems. Dieses hat der Gesellschaft zu dienen und nicht umgekehrt. 

Öffentlicher Druck ist nötig

Bis der Bankenplatz Schweiz die Kehrtwende hin zur Klimafreundlichkeit geschafft hat, braucht es nach wie vor Menschen und Organisationen, die den öffentlichen Druck auf die Politik und die Bankenbranche aufrechterhalten. Die ABS solidarisiert sich deshalb mit der Klimabewegung und allen Menschen, die ihrem Wunsch nach einer klimaverträglichen Zu­kunft in der Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen. Zudem will sie selbst als gutes Beispiel vorangehen: Seit ihrer Gründung setzt sich die Bank mit ihrer gesamten Geschäftstätigkeit für den Klimaschutz ein (siehe Kasten unten). Sie vermittelt kein Geld an klimaschädliche Unternehmen und Projekte und fördert stattdessen Unternehmen, die das Klima schützen. Ihren Geschäftsbetrieb führt sie verantwortungsvoll und achtet auf einen schonenden Umgang mit den Ressourcen. Schliesslich berichtet sie regelmässig über die klimatischen Auswirkungen ihrer Geschäfts­tätigkeit.

Fünf Thesen zum Zustand des Finanzsystems

Unser Finanzsystem ist nicht krisensicher. Es wird es auch nicht, wenn wir die Probleme nicht an der Wurzel packen und die Frage des Sinns des Finanzsystems nicht klären. Warum ist das so? 

  1. Banken sind keine neutralen Vermittler von Kapital. Mit jeden Finanzierungs- Anlage- und Investitionsentscheid nehmen sie Einfluss auf die Gestaltung unserer Zukunft und bewirken etwas in der Realwirtschaft. Als wirtschaftliche Akteure tragen sie somit eine besondere gesellschaftliche Verantwortung.
  2. Banken betreiben in der Regel Gewinnmaximierung. Gewinnmaximierendes Verhalten ist aber nicht kompatibel mit der gesellschaftlichen Verantwortung, welche den Banken zugeschrieben werden kann. Denn so kommt es zu «trade-offs» zwischen den gesellschaftlichen Zielen und der Rendite der Banken. Daraus folgt, dass Banken nur so viel Gewinn erwirtschaften dürfen, wie für das langfristige Überleben notwendig ist (Gewinnsuffizienz).
  3. Verantwortung tragen heisst, die Wirkung des eigenen Handelns zu verstehen und sich an Werten zu orientieren, die sich von den gesamtgesellschaftlichen Zielen ableiten. Davon ausgehend müssen Banken den Werterahmen definieren, der sie leitet.
  4. In der Praxis besteht das Problem, dass wir uns nicht immer einig sind, welche Werte wichtig sind respektive welche gesellschaftlichen Ziele prioritär verfolgt werden sollen. Die Lösung für dieses Problem besteht darin, dass Banken ihre Werte transparent machen müssen und in Bezug darauf auch zur Rechenschaft gezogen werden.
  5. Banken, die ihre Tätigkeit dem gesamtgesellschaftlichen Nutzen unterordnen, sind stabiler als gewinnmaximierende Banken, denn sie haben ein inhärentes Interesse, der Gesellschaft keinen Schaden zuzufügen. Damit soll nicht gesagt werden, dass solche Banken vor Risiken gefeit sind. Aber sie werden ihre Risiken stets in Abwägung der gesellschaftlichen Kosten und Nutzen auswählen und nicht auf der Grundlage ihres marginalen Gewinns.

Fünf nötige Veränderungen

Ausgehend von diesen Thesen sind folgende fünf Veränderungen am Finanzsystem nötig. Sie machen das System sicherer und vor allem auch gerechter: 

  1. Regulierung: Es braucht Gesetze, die eine höhere Eigenmittelunterlegung von den Banken verlangen und ihr Gewinnstreben eindämmen. Dadurch verändert sich das Risiko-Rendite-Profil von Bankaktien: Die Aktien werfen weniger Rendite ab, entwickeln sich dafür wesentlich stabiler.  
  2. Strategie: Banken brauchen klare Kriterien, die bestimmen, welche Projekte und Unternehmen sie unterstützen, weil diese der Gesellschaft und Umwelt nützen und welche sie wegen negativen Auswirkungen ausschliessen. Diese Kriterien müssen für die Entscheidungen der Banken genauso wichtig sein wie Renditeüberlegungen.
  3. Governance: Orientieren sich Banken an der Gesellschaft und deren Bedürfnissen anstatt am Gewinn, bedingt das, dass sie sich vertieft mit gesellschaftspolitischen Zusammenhängen auseinandersetzen. So gelangen sie zu einem neuen Wertekatalog, der in der Strategie und in den Reglementen verankert werden muss. Das stellt neue Anforderungen an die Gremien und die Mitarbeitenden von Banken. Reines Bankwissen reicht nicht mehr.
  4. Anreizsysteme: Die traditionellen Bankenboni, die auf Renditemaximierung ausgerichtet sind, haben in einem solchen System keinen Platz. Vielmehr braucht es eine Führung, die auf intrinsische Motivation und Sinnhaftigkeit setzt.    
  5. Berichterstattung: Nur wenn Banken ihren Werterahmen und ihre Strategie offenlegen und zeigen, wohin das ihnen anvertraute Geld fliesst, können sie für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden. In der Berichterstattung von Banken braucht es deshalb Transparenz.

Die wichtigsten Akteurinnen und Akteure

Damit diese Veränderungen Wirklichkeit werden und sich das Finanzsystem in eine gesunde Richtung entwickelt, müssen verschiedene Akteurinnen und Akteure zusammenwirken:  

  1. Banken: Zu hoffen ist, dass die Banken selbst die Zeichen der Zeit erkennen, umdenken und die Anpassungen von sich aus vornehmen.
  2. Politik: Die Realität zeigt aber, dass ohne Regulierung wenig geschieht. Deshalb ist die Politik gefordert. Sie muss sich zu einem Finanzsystem bekennen, das den gesellschaftlichen Interessen untergeordnet ist und die Regulierung dementsprechend neu ausrichten.
  3. Bildungssystem:  Auch das Bildungssystem ist gefordert. Es steht in der Verantwortung über die Allgemeinbildung Bürgerinnen und Bürger zu bewussten Konsumentinnen und Konsumenten zu machen. Solche, die den Zusammenhang von Finanzsystem, Gesellschaft und Umwelt und der Wirkung ihres Geldes verstehen. Weiter müssen im Rahmen der Berufsbildung Bankerinnen und Banker, befähigt werden neben dem Risiko und der Rendite gleichermassen die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Gesellschaft und Umwelt zu berücksichtigen. Schliesslich ist es nötig, dass in den Wirtschaftswissenschaften ein Umdenken stattfindet: Die gesellschaftliche Verantwortung der Ökonomie soll in den Lehrplänen eine zentrale Rolle spielen.
  4. Konsumentinnen und Konsumenten: Schliesslich tragen auch die Konsumentinnen und Konsumenten eine Verantwortung. An ihnen liegt es, sich bei ihren Banken nach den Werten zu erkundigen und sich bewusst für eine Bank zu entscheiden, die ihren eigenen Werten entspricht. 
Kontakt

Weitere Auskünfte und Interviewtermine via Medienstelle

Katrin Wohlwend
T 062 206 16 64
E-Mail