Die junge Inderin Meghana arbeitete als Tagelöhnerin, bis ihr ein Kredit von 550 Franken eine neue Perspektive eröffnete.
Um die finanzielle Situation ihrer Familie zu verbessern, kaufte die Inderin Meghana mit einem Mikrokredit eine Kuh. Foto: Enabling Qapital AG
Meghana wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Avverahalli. Das ist ein kleines Dorf in Südindien, etwa 25 Kilometer von der indischen IT-Metropole Bangalore entfernt. Lange arbeitete sie als Tagelöhnerin und verdiente deshalb nur unregelmässig. Um das zu ändern, entschloss sie sich, eine Kuh zu kaufen und in die Milchproduktion einzusteigen. Dank einem staatlichen Förderprogramm gehört Indien heute zu den grössten Milchproduzenten weltweit. Die Milch kommt dabei von Kleinproduzentinnen und -produzenten, wie es Meghana werden wollte. Doch woher das nötige Geld nehmen, um eine Kuh zu kaufen?
Mit 550 Franken zum eigenen Kleinunternehmen
Meghana selbst hatte etwas mehr als 5000 Rupien gespart. Der Preis einer Milchkuh betrug aber gut das Zehnfache. Zur Bank gehen war keine Option. Mit ihrem geringen Einkommen hätte sie kaum Chancen auf einen Kredit gehabt. Der jungen Inderin ging es damit wie weltweit rund 1,4 Milliarden Personen, die keinen oder erschwerten Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. Damit gehörte Meghana zur Zielgruppe von Saggraha, einem lokalen Mikrofinanzinstitut. Dort konnte sie sich schliesslich die nötigen 50 000 Rupien ausleihen, umgerechnet rund 550 Franken. So war sie auch nicht auf die lokalen Geldverleiher angewiesen, die in der Regel enorme Zinsen verlangen. Die Kuh, die Meghana kaufte, gibt heute pro Tag im Durchschnitt 6 bis 7 Liter Milch. Diese verkauft sie an die lokale Milchkooperative, die sie zu Joghurt, Käse und Schokolade verarbeitet oder als Trinkmilch weiterverkauft. Als Milchproduzentin verdient Meghana heute zwischen 5000 und 6000 Rupien pro Monat und konnte den Lebensstandard ihrer Familie verbessern.
Schritte aus der Armut
Roger R. Müller, Managing Partner der Enabling Qapital, besuchte Meghana im November letzten Jahres. Seine Firma mit Sitz in der Schweiz investiert über den EMF Mikrofinanzfonds gezielt in Mikrofinanzinstitute wie Saggraha in Indien (vgl. Seite 16/17). Er berichtet, dass Meghana stolz sei, es als selbständige Kleinunternehmerin geschafft zu haben – und auch, dass sie vom lokalen Mikrofinanzinstitut als positives Beispiel ausgewählt worden sei. Ihre Geschichte hat es im vergangenen Jahr bis in die «NZZ am Sonntag» geschafft. «Ein Mikrokredit bedeutet häufig einen Start in ein neues Leben», hält Roger R. Müller fest. Oft seien es solche kleinen Schritte, die den Menschen einen Ausweg aus der Armut ermöglichten. «Und wer weiss: Wenn sie in zwei, drei Jahren ihren Kredit zurückgezahlt hat, kann sie vielleicht sogar eine zweite Kuh kaufen.»
* Auf Diskretionswunsch von Meghana nennen wir ihren Nachnamen nicht.