Ganz im Westen der Schweiz erprobt die Wohnbaugenossenschaft Equilibre nachhaltiges Bauen und Wohnen, so konsequent wie wohl keine andere hierzulande. Seit den Anfängen dabei ist auch die ABS – als einzige Bank.
«Wir haben hohe Ansprüche an Ethik und Transparenz einer Bank. Da kam für uns nur die ABS infrage.»
Uli Amos, Projektleiterin von Equilibre
Besucherinnen und Bewohner einer Wohnung der Genossenschaft Equilibre zieht es nicht selten als Erstes zum Klo. Hier sind alternative WCs im Einsatz, etwa solche, die ohne Wasser, aber mit Sägemehl funktionieren. Bekannt ist dieses Konzept all jenen, die schon einmal ein mobiles Kompotoi-WC aus Holz benutzt haben. Trocken-WCs stinken nicht – dennoch mag es seltsam anmuten, wenn ein Text über eine Genossenschaft ausgerechnet mit diesem Thema beginnt. Der Grund ist: Die Wohnbaugenossenschaft Equilibre macht mit den alternativen Kompostiersystemen gute Erfahrungen und gibt ihr Wissen gern weiter. Zum Beispiel in einer informativen Broschüre mit dem Titel «Komposttoiletten in städtischen Gebieten? Das gelingt!», die vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) mitfinanziert wurde. Zwar fehlt es in der Schweiz nicht an Wasser, aber, so fragt sich die Genossenschaft: Macht es wirklich Sinn, dass jede und jeder von uns Tag für Tag mehr als 40 Liter bestes, aufwendig aufbereitetes Trinkwasser das Klo hinunterspült? Und: Warum etwas, das man wiederverwerten kann, im WC mit viel Wasser entsorgen?Equilibre ist aber viel mehr als einfach die Genossenschaft mit den alternativen Toiletten und den Tausenden von kompostierenden Regenwürmern im Keller und unter dem Sitzplatz vor dem Haus. 2005 auf Initiative einer Person von mehreren Familien gegründet, ist die Genossenschaft inzwischen auf über 650 Mitglieder angewachsen. In partizipativen Verfahren baut sie möglichst nachhaltige, gemeinschaftlich ausgerichtete Wohnhäuser. Bis dato an drei Orten – das erste 2011 im Genfer Vorort Cressy, 2017 kamen 24 Neubauwohnungen in Soubeyran dazu und nur ein Jahr später 67 weitere Wohnungen in drei Häusern in Meyrin. Finanziert wurden alle von der ABS. Insgesamt hat die Bank 38,7 Millionen Franken zur Verfügung gestellt.
Mit der gesamten Lebensweise ein Gleichgewicht anstreben
Sieben Mitarbeitende sind heute bei der Wohnbaugenossenschaft angestellt, eine ist die Projektleiterin Uli Amos. Danach gefragt, womit alles angefangen hat, zitiert die Architektin Artikel 73 aus der Bundesverfassung: «Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits an.» Im Wissen darum, dass es in der Realität drei Planeten bräuchte, wenn weltweit alle so viel konsumieren und verbrauchen würden wie wir hier in der Schweiz, nannten die Pionierinnen und Pioniere ihr Projekt von Anfang an «Equilibre», Gleichgewicht. Dieses strebt die Genossenschaft mit ihrer gesamten Lebensweise an: «ein Gleichgewicht zwischen Konsum und Erneuerung natürlicher Ressourcen ebenso wie zwischen individueller Freiheit und kollektiven Bedürfnissen».
Als beinahe erste Amtshandlung setzten die Gründungsmitglieder eine Charta auf. Sie ist noch heute das wichtigste Dokument der Genossenschaft und hält deren Werte fest. Dazu bekennt sich, wer Mitglied werden will. Die Charta benennt das Artensterben, den Klimawandel sowie die ungerechte Verteilung von Wohlstand und ist vom Solidaritätsgedanken getragen. Das Dokument wurde 2020 erweitert, denn inzwischen versteht sich die Genossenschaft über das Bauen und Wohnen hinaus als Akteurin des Übergangs und führt auch im Bereich Landwirtschaft und Nahrung Projekte. Gleichzeitig baut sie weiter: Mehrere neue Equilibre-Projekte mit über 300 Wohnungen sind am Entstehen.
Kein Lösungskatalog, aber eine ehrliche Diskussion
Einst von erfahrenen Wohnbaugenossenschaften und deren Verband unterstützt, berät Equilibre heute selbst andere Wohnbaugenossenschaften und Interessierte: Begehungen in allen drei Siedlungen sind institutionalisiert, auch geführte Gruppenbesichtigungen sind möglich. Zu sehen und lernen gibt es viel: von den umweltfreundlichen Baumaterialien über die verschiedenen Kompostiersysteme und den Permakulturgarten bis zu den vielseitig nutzbaren gemeinsamen Räumen.
Auch an der ETH und an weiteren Hochschulen und Universitäten halten Vertreterinnen und Vertreter der Genossenschaft Vorträge. Und man arbeitet am Aufbau lokaler Selbstversorgungsstrukturen mit. Aber längst seien nicht alle Kreisläufe geschlossen, da gebe es weiterhin viel zu erforschen, sagt Uli Amos. Einfach kopieren liessen sich ihre Innovationen auch nicht: «Wir können keinen Lösungskatalog anbieten. Aber eine Art Gerüst und eine ehrliche Diskussion über Vor- und Nachteile, Schwierigkeiten und positive Überraschungen.» Plane man etwa alternative Toiletten, empfehle es sich sehr, den Prozess bereits ab Projektbeginn partizipativ zu führen. Auch die Zusammenarbeit mit den Behörden sei wichtig. Für den Bau der Trockentoiletten mit Notfallanschluss an die Kanalisation erhielten sie eine Ausnahmebewilligung, ebenso für den Bau der eigenen Abwasserreinigungsanlage – und für den Verzicht auf eine Tiefgarage.
Grosse Wertschätzung für alle Beteiligten
Und wie schafft es eine so junge Genossenschaft, innert so kurzer Zeit so stark zu wachsen und dennoch gut verankert zu bleiben? Uli Amos: «Anfangs wuchsen wir langsam, wir konnten und können noch immer auf die vorhandenen Kompetenzen und die kollektive Intelligenz aufbauen.» Wichtig sei ihnen auch immer gewesen, mit lokalen Planerinnen, Architekten, Baufirmen und Handwerksbetrieben zusammenzuarbeiten, die ihrerseits nach Innovationen streben und nachhaltige Lösungen entwickeln wollen. Auch bei den Baustoffen schaue man sich immer zuerst in der Region um. «Und wir veranstalten Feste, an denen sich zukünftige Bewohnerinnen und Bewohner mit den Profis auf den Baustellen austauschen können, um die Arbeit zu verstehen und sie zu würdigen.»
Auch die Zusammenarbeit mit der ABS ist von grosser gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Loïc Ecoffey, Leiter Immobilienfinanzierung der ABS in der Romandie: «Equilibre verfolgt Werte, die den unsrigen sehr ähnlich sind. Sie haben eine sehr starke Charta zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit und verfolgen ihr Konzept konsequent.» Uli Amos verweist ihrerseits auf die gemeinsamen Werte, die hohen Ansprüche an Ethik und Transparenz seitens der Bank. Anfangs hätten sie noch andere Finanzdienstleister mit günstigeren Angeboten in Betracht gezogen, sagt sie, «aber schon vor Jahren hat der Vorstand beschlossen, nur mit der ABS zusammenzuarbeiten». Warum? «Weil hinsichtlich Werten, Transparenz und Investitionsethik keine andere Bank infrage kommt.» Und natürlich seien auch die gute Zusammenarbeit, die Kontinuität und das Vertrauen unbezahlbar.